Drei Brüder in der großen Stadt
Als in unserem Brüder- und Gästehaus Ralligen der Platz für neue junge Brüder eng zu werden drohte, kam das Angebot einer Wohnung für eine Stadtkommunität mitten in Zürich sehr gelegen. Die Seniorenbrüder Kurt und Reto starteten den Versuch und wohnen nun seit vier Jahren hier. Seit Februar bin auch ich, Br. Gustav, in der Stadt angekommen, in der ich vor einigen Jahrzehnten das Licht der Welt erblickt habe. Gemeinsam leben wir gleich neben der Langstrasse, dieser weit über die Stadt hinaus bekannten Rotlichtmeile Nr. 1 von Zürich.
Was können Christusträger dort anfangen? Oder gar bewirken?
Die Geschichte unseres Standorts geht auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als die junge »Bruderschaft vom gemeinsamen Leben« hier einzog. Sie entfaltete eine engagierte soziale Arbeit unter der Arbeiterbevölkerung im Quartier. (Das Rotlicht kam erst nach dem Krieg in die Gegend.) Das Haus, in dem wir leben, weist sich mit dem Schild »Quartierkloster Philadelphia« aus. Es gehört immer noch zum »Nidelbad«, dem Schweizer Zweig vom »Gemeinsamen Leben«.
Engagiert und ansprechbar
Unser heutiges Engagement für die Menschen im Quartier ist uns nicht mehr so breit möglich wie es damals zu Beginn geschah. Zwei Jahre lang haben die Brüder einem pakistanischen Asylbewerber Unterkunft gewährt, bis er kürzlich anerkannt worden ist und nun eine eigene Wohnung gefunden hat.
Br Reto hilft bei der Heilsarmee beim Zubereiten von Mahlzeiten für Bedürftige und beim Austeilen von Lebensmittelpaketen. Br Kurt engagiert sich in der reformierten Kirchgemeinde, u.a. als Ansprechperson in der nahen »Offenen Kirche St. Jakob«; da kann er sich Zeit nehmen für allerlei Menschen und ihre Sorgen und Fragen anhören. Ich selber werde länger von einem familiären Notfall nahe Zürich beansprucht.
Einmal in der Woche übernachtet Br. Mathias bei uns. Zwischen seinen beiden Studientagen in Aarau zieht er gerne den kürzeren »Heimweg« nach Zürich demjenigen nach Ralligen vor. Und natürlich genießt er unsere Gemeinschaft, so wie wir die seine. Meistens aber sind wir beim Üben des gemeinsamen Lebens zu dritt.
Für die Stadt beten
Regelmäßig pflegen wir unsere Tagzeitengebete in der Hauskapelle. Unsere Vermieter vom Nidelbad haben diesen Dienst fürs Quartier und die Menschen darin ausdrücklich gewünscht. Sie unterstützen ihn durch einen für uns erschwinglichen Wohnungszins. Dienstags und donnerstags laden wir öffentlich zum Mittagsgebet ein und bieten anschließend ein Suppen-Mittagessen an. Die Teilnahme von außen ist zwar überschaubar, aber doch recht regelmäßig.
»Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn (Jeremia 29,7)« steht auf einem der alten Glasfenster der Hauskapelle. Eine Auswirkung unseres Gebets und unseres Hierseins auf das Quartier kann ich zwar nicht feststellen. Aber wir vertrauen darauf, dass es gehört und auf Gottes Art erhört wird. So wie wir ja alle vertrauen, wenn wir beten.
Mit herzlichen Grüßen aus Zürich,