Christusträger Bruderschaft

Gastfreundschaft auf dem Jakobsweg: Pilgerbetreuung in Ralligen

Seit Jahren steigen die Pilgerzahlen auf dem Jakobsweg. Auch wenn in den Pandemiejahren ein Einbruch zu verzeichnen war, setzte sich der Trend ab 2022 wieder fort. Einer der Schweizer Webabschnitte, man sagt es sei der schönste, führt am Gut Ralligen vorbei. Markus Spingler und seine Frau Renate arbeiteten dort ehrenamtlich als Pilgerbetreuer und berichten von dieser Erfahrung:

Ausblick auf den Niesen – © Markus Spingler 2024
Ausblick auf den Niesen – © Markus Spingler 2024

Ungefähr 300 Pilger beherbergen die Christusträger jährlich. Unterstützt von Pilgerbetreuerinnen und -betreuern, freiwilligen Helfern, die für einen begrenzten Zeitraum ehrenamtlich unterstützen, um den Pilgern das zu geben, was den Brüdern wichtig ist: Gastfreundschaft in Form eines sauberen, warmen, trockenen Zimmers, einer guten Mahlzeit, einem offenen Ohr für die, die etwas zu erzählen haben, Teilhabe am geistlichen Leben der Brüder in den Andachten und vor allen Dingen Wertschätzung.

Ein Tag als Pilgerbegleiter

Bevor der Dienst beginnt, erhält man als Pilgerbetreuer zunächst eine ausführliche Einführung der Brüder in ihre Lebens- und Glaubensgemeinschaft und natürlich auch in die »Kunst des Putzens« und all der anderen »Alltäglichkeiten« in der Kommunität. Der Tag der Brüder startet gewöhnlich um 6:00 Uhr mit dem Morgengebet. Sie freuen sich über alle, die dabei sind, und haben Verständnis für alle, deren Biorhythmus sich um diese Uhrzeit noch im Tal befindet. Um 7:45 Uhr findet die Morgenbesprechung mit den Brüdern und allen Mitarbeitenden statt. Hier werden aktuelle Infos ausgetauscht und die Arbeit verteilt, um anschließend mit einem Gebet in den Arbeitstag zu starten. Um 8:30 Uhr findet das Frühstück der Gäste, der Pilger und der Pilgerbetreuer statt. Es sei denn, ein Pilger hat es eilig und möchte früher essen. Nach dem Frühstück machen sich die Pilger wieder auf den Weg.

Pilgerzimmer – © Markus Spingler 2024

Nun werden die Pilgerzimmer geputzt und für die nächsten Pilger vorbereitet. Anschließend besteht die Möglichkeit, entweder an anderer Stelle, z.B. im Garten oder im Haus zu helfen oder die Zeit bis zum Eintreffen der nächsten Pilger einfach auf dem Gut zu genießen. Die Pilger reisen ab ca. 15:00 Uhr an. Die Pilgerbetreuer nehmen die neuen Ankömmlinge in Empfang, versorgen sie mit einem Willkommenswasser, -tee oder -kaffee, zeigen die Zimmer und das Gut und stehen für Fragen zur Verfügung. Wer möchte, kann um 18:00 Uhr an der Abendandacht teilnehmen. Um 18:30 Uhr gibt es Abendessen. Und um 6:30 Uhr beginnt der Kreislauf von Neuem.

Unser Weg zur Pilgerbetreuung

Was bewegt jemand dazu als Pilgerbetreuer tätig zu werden? Für uns, Renate und Markus, waren es zwei Aspekte. Zum einen wollten wir als Ehepaar ein neues gemeinsames kleines Projekt für uns entdecken. Das haben wir in Ralligen gefunden. Zum anderen teilen wir die Faszination für Menschen und deren Geschichten.

Markus und Renate Spingler – © privat 2024

​​​​​​Und solche Menschen trifft man als Pilgerbetreuer: Den Ruheständler, der sich nach vielen Jahren im Job auf die Suche nach der nächsten großen Vision gemacht hat. Den Lehrer, der im 3D Druck nebenbei Musikinstrumente produziert, verkauft und zusätzlich von einer Karriere als Literat träumt. Die Pfarrerin, die während der Corona-Pandemie vorzugsweise in Kirchen hinter dem Altar genächtigt hat. Die Seniorin, die schon früh das Weitwandern für sich entdeckt hat, um Abstand von ihrem anstrengenden Job in der Psychiatrie zu bekommen und die mit über 70 noch ihre 30 Kilometer am Tag marschiert. Oder das Schwesternpaar, das schlicht Freude am Laufen gefunden hat. Und natürlich auch die Menschen, die auf der Suche nach Gott sind. Gefühlt tausend Motive, welche die Pilger auf den Jakobsweg bringen, und noch mehr Geschichten, über die man mit aller Hochachtung mal schmunzeln, mal betroffen sein und immer wieder staunen darf.

Wenn die Pilger dann bei der Abreise die wunderschöne Lokation, die Herzlichkeit der Brüder und der Hausgemeinschaft loben und man den Eindruck hat, man durfte einem Menschen für einen Tag ein Zuhause bieten, dann geht man am Ende der Woche zwar ein wenig müde aber außerordentlich zufrieden nach Hause. 

Vielleicht begegnen wir uns ja einmal bei den Brüdern – wir sind neugierig! 

Markus Spingler, 30.05.24

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