Auf Anraten der deutschen Botschaft sind Br. Schorsch und ich mit einem der letzten möglichen Flüge am 19. März zum vorzeitigen Heimataufenthalt nach Triefenstein zurückgekehrt. Diese Entscheidung stellte sich als richtig heraus. Vor Ort in Kabul könnten wir wegen der Ausgangssperren nicht viel tun. Von Triefenstein aus aber können wir viele Arbeiten begleiten und aus der Ferne die Verantwortlichen vor Ort unterstützen.
Wenn das Alltagsleben lahmliegt
Leider hat die Corona-Pandemie auch vor Afghanistan nicht halt gemacht. Seit Wochen liegt das normale Leben lahm. Mitte März hat die Regierung alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte, Schulen und Einrichtungen schließen lassen. Alle Angestellten über 58 Jahre wurden zur Risikogruppe erklärt und von der Arbeit ausgeschlossen. Ein großer Teil der Afghanen in Kabul lebt vom Handel. Jetzt aber verdienen Händler und ihre Angestellten nichts mehr, vom Staat bekommen sie keinerlei Unterstützung. Die afghanische Bürokratie, die sich ohnehin sehr mühsam gestaltet, ist in Corona-Zeiten total überfordert. In vielen Ministerien und Ämtern arbeiten nur noch Notdienste. Wehe dem Ausländer, der in dieser Zeit ein Visum verlängern lassen muss oder eine Arbeitsbewilligung braucht.
Fast täglich sind wir mit unserem leitenden Arzt per Skype im Gespräch. Er hat umsichtig viele Schutzmaßnahmen für unsere Einrichtungen angeordnet, wie z.B. Schutzkleidung für die Mitarbeiter, Fiebermessungen und für alle Klinikbesucher klare Anweisungen zum Waschen der Hände. Nicht lebensnotwendige Untersuchungen verschieben wir auf bessere Zeiten. Medikamente geben wir für längere Zeiträume aus, damit die Patienten seltener zu uns kommen müssen. Neue Patienten nehmen wir nur noch im Bereich Tuberkulose auf. Mit all diesen Maßnahmen versuchen wir die Zahl der wartenden Patienten vor den Kliniken zu reduzieren.
Hilfe mit Hindernissen
Auch wir als Nicht-Regierungs-Organisation dürfen ältere und gefährdete Mitarbeiter nicht mehr arbeiten lassen. Unsere jüngeren Mitarbeiter sollen nur wechselweise kommen, damit der Abstand in den Räumen gewahrt werden kann. Das tägliche gemeinsame Mittagessen der Mitarbeiter mussten wir bis auf weiteres aussetzen. Unsere Mitarbeiter in Klinik und Werkstatt bekommen weiterhin ihr Gehalt. Sie brauchen das Geld für sich und ihre Familien jetzt nötiger denn je, denn in der Krise sind viele Lebensmittel teurer geworden. Seit einigen Jahren unterstützen wir ca. 180 sehr arme Patienten monatlich mit einer kleinen Geldsumme. Nun überlegen wir, wie die Hilfe in dieser notvollen Zeit aufgestockt und/oder für andere Arme ausgeweitet werden könnte. Doch das ist organisatorisch eine große Herausforderung, da wir die Hilfe diskret übergeben wollen, nicht vor anderen sichtbar und doch mit Abstand zum Patienten.
Unsere Mitarbeiter berichten von erheblichen Bewegungseinschränkungen auf dem Weg zur Arbeit. Militär und Polizei lassen nur die Fahrzeuge durch, die einen triftigen Grund für die Fahrt in der Stadt angeben können. Auch für unsere Werkstattmannschaft sind Fahrten in die Krankenhäuser und die Arbeit dort nur bedingt möglich. Von Regierungsseite haben wir dazu noch keine offizielle Genehmigung bekommen, obwohl die technischen Arbeiten jetzt besonders notwendig wären. In einer Schule, die das Gesundheitsministerium zum Zentrum für Pandemie-Bekämpfung machen will, konnten unsere Mitarbeiter einen vorhandenen Brunnen säubern und eine Solaranlage in Betrieb nehmen, die destilliertes Wasser für die Hospitäler Kabuls erzeugt. Ansonsten sind unsere Werkstatt-Mitarbeiter auf Abruf bereit, im Notfall unbürokratisch in Hospitälern zu helfen.
Unsere Visaverlängerungen in Kabul sind Anfang Juli fällig, Br. Schorsch und ich hoffen, dass wir zu diesem Termin zurück in Kabul sein können. Danke, dass Sie für uns und für die Ärmsten in Kabul beten, danke für Ihre Unterstützung gerade in diesen schweren Zeiten.