Das Gras ist noch nass und schmatzt an der ein oder anderen Stelle, wenn jemand über die Wiese geht. Bis vor kurzem war der Himmel noch weiß und grau gedeckt von den dichten Wolken. Doch jetzt blitzt die Sonne hervor, blendet uns fast. Wir treffen letzte Vorbereitungen und dann geht es schon los.
Vor dem Westflügel, zwischen Bäumen und Palmen, steht eine kleine Bühne. Davor: Bierbänke in locker gestellten Reihen. Hier und da sitzen Jugendliche und junge Erwachsene in Grüppchen; der ein oder andere ältere Gast mischt sich einfach darunter. Vor der Kirche begrüßen Jugendliche aus Marktheidenfeld weitere Gäste, verschenken Knicklichter und Tütchen voll Süßkram. Rund hundert Besucherinnen und Besucher sind da.
Der Abend mit Marco Michalzik und Manuel Steinhoff war der Auftakt einiger junger Konzerte im Kloster. Die Idee, Konzerte für junge Leute zu veranstalten, schwirrte bereits vor Beginn der Corona-Pandemie durch einige Köpfe. Daniela Hoffmann, Jugendreferentin im Kloster und im CVJM Marktheidenfeld, hatte die Idee angestoßen. Diesmal fand der Abend im Rahmen der Festwoche zum 60-jährigen Bestehen der Christusträger-Bruderschaft statt. Noch zwei Monate zuvor sah es so aus, als könnte aufgrund der Corona-Pandemie kein Konzert stattfinden. Doch als die Fallzahlen weiterhin sanken, konnte Dorothea Bäcker, die seit Sommer 2020 mit ihrer Familie im Kloster lebt, gemeinsam mit Daniela Hoffmann und weiteren GCTlern kurzfristig doch noch zu diesem Konzert einladen.
Wie der Titel schon vermuten lässt, präsentierte Marco Michalzik Poetry-Texte unterlegt mit elektronischen Beats von Manuel Steinhoff. Die Stücke stammten vom gemeinsamen Album »Ikarus«, der neuen EP »Insomnia« und Marcos neuem Buch »Alles wird ein bisschen anders«.
Der Brunnen im großen Innenhof plätschert vor sich hin, doch das verschwindet in der Musik. Manuel Steinhoff verwebt Synthies, Klänge, Rhythmus und Vogelgezwitscher zu einem Teppich, auf dem ich gedanklich schweben kann. Ich lasse mich fallen in die Musik, während ich den Worten von Marco Michalzik lausche. Er erzählt uns vom Glauben und Zweifeln, von Gottesbegegnungen und Fragen. Seine Texte sind mal nachdenklich, mal melancholisch, mal provokant: Marco stellt mir Bilder vom obdachlosen Gott vor Augen. Von Gott, der in den Hilfsbedürftigen wohnt, denen ich nicht geholfen habe. Manuels Klänge sind mal sanfter, mal lauter, einmal so aufwühlend, dass ich das verzweifelte Schreien des obdachlosen Gottes förmlich hören kann.
»Von Gott sprechen ist immer ein Kompromiss. Man braucht Bilder, die man nicht zu ernst nehmen darf.« Marco Michalzik und Manuel Steinhoff haben uns an diesem Abend von Gott erzählt – in ihren ganz eigenen klangvollen Bildern. Der Abend endete mit einem Gang durch eine imaginäre Galerie, in der wir Gott finden konnten. Mal sympathisch, mal klar, mal unverständlich – und doch blieb bei mir vor allem eines hängen: die zart gezeichnete Gnade in einer Vitrine – jedoch ohne Rahmen, da sie diesen sonst gesprengt hätte.
Weitere Bilder vom Konzert gibt es in unserer Fotogalerie.