Am Freitagnachmittag bei der Anreise merke ich: es wird knapp, die Autobahn ist voll. Doch als ich die Ausfahrt erreiche, weiß ich, dass ich es noch zum Abendgebet schaffen werde. Die Kirche ist gefüllt, mich empfängt erwartungsvolle Stille. Hinter den Brüdern erstrahlt der Altarraum in warmem Licht: ich bin herzlich willkommen.
Der Psalm 84, im Wechsel gesungen, eröffnet das Meditations-Wochenende. Dann sind wir zum Abendbrot eingeladen. 12 Menschen, die sich nicht kennen. Erste Begegnung und Unsicherheit, wie das wohl mit dem Schweigen sein wird. Die Kursleiter sorgen für Klarheit – heute reden wir beim Essen, nach der Meditation gehen wir in die Stille. Deshalb dürfen wir auch in einem besonderen Raum speisen. Ein königlicher Saal mit wunderbarem Ausblick. Ich brauche mich um nichts kümmern, ich werde geführt.
Der Raum der Stille lädt uns dann ein. Ich finde meinen Platz, ein Sitzbänkchen, das für mich passt, meine Lieblingsdecke darunter. Zum Vorstellen sagt jeder drei Mal seinen Namen – mehr nicht. Es geht um mich heute.
Nach einer kleinen Lockerungsübung sitzen wir 20 Minuten – und in meinem Kopf tobt ein Vulkan. Ich achte auf meinem Atem, der fließt. Gott hält mich. Dann gehen wir gemeinsam ganz bewusst, spüren wie der Fuß abrollt, finden einen gemeinsamen Rhythmus und sitzen noch einmal 20 Minuten. Der Tag wird mit einem Tanz abgeschlossen. Wiegende Schritte, ich spüre die starken Hände meiner Nachbarn und weiß zu schätzen, wie Gott mir mein Gehalten sein
deutlich macht.
Wir werden in die Nacht entlassen, mit der Einladung, uns nicht ablenken zu lassen. Ich weiß, dass ich einen spannenden Krimi mitgenommen habe, doch als ich die Tasche durchsuche, finde ich ihn nicht. Na, dann ist einfach schlafen dran. Die starken Deckenbalken bergen mich, das Chaos in meinem Kopf, alle Begegnung in meinem Alltag darf jetzt zur Ruhe kommen. Als ich nachts erwache und die Balken entdecke, weiß ich mich geschützt und geborgen.
Am Morgen Fußmeditation, Sitzen, Morgengebet, Frühstück im Schweigen, Sitzen, Gehen, Sitzen. Um mich ist es still, in mir ist es noch laut. Ich lasse mich ein, ich spüre meinen Rücken und richte mich auf, ich lasse die Gedanken kommen und darf einfach da sein.
In der Kellerkapelle gehen wir ohne Schuhe auf dem roten Sandsteinboden. Ich spüre, wie mich meine Füße tragen über Unebenheiten, wie sich die Fußsohlen anschmiegen und Halt finden, so dass ich sicher gehen kann.
Nach der Mittagspause ziehen wir nach draußen. Es ist eiskalt und windig. Durch den Wald gehen. Bärlauchwiesen, Wasserplätschern, Vogelgesang und pfeifender Wind. Ich nehme mit all meinen Sinnen wahr und ich spüre Kraft in mir. Ich lebe! Ich bin jetzt da, kann einfach sein. Worte aus Psalm 84 begleiten mich durch den Tag.
Im Schweigen bleiben, bei mir bleiben, auch beim Essen, anders schmecken, langsamer essen. Was für eine gute Erfahrung.
Sonntagmorgen: Alles ist weiß, es hat geschneit und die Sonne leuchtet am blauen Himmel. So sieht es auch in meiner Seele aus. Ich freue mich auf die Meditation. Gott erinnert mich an seinen Weg mit mir.
Als ich in der folgenden Woche bei einer Fortbildung zur gewaltfreien Kommunikation gebeten werde, mir eine Situation vorzustellen, in der ich mich sehr geborgen und sicher gefühlt habe, bin ich sofort im Raum der Stille in Triefenstein auf meinem Schemel. Und ich spüre eine unglaubliche Weite in mir.