Christusträger Bruderschaft

AUFATMEN-Artikel über unsere Tageszeitengebete

Für das Magazin AUFATMEN (»Gott begegnen – authentisch leben«) hat Br. Christian einen Beitrag über seine Erfahrungen mit dem regelmäßigen Gebet geschrieben: »Heilsame Unterbrechungen«

Impression aus der Keller-Kapelle – © Br. Bodo Flach, 2014
Impression aus der Keller-Kapelle – © Br. Bodo Flach, 2014

Stille als feste Einrichtung: Meine Erfahrungen mit dem Tagzeitengebet

Neben den intensiven Begegnungen mit Menschen ist das kostbarste Geschenk meiner Mitgliedschaft bei den Christusträgern das regelmäßige Gebet. Als ich mich als junger Mann Ende 20 zu einem Leben in der Bruderschaft der Christusträger entschied, war für mich als Motivation beides sehr wichtig: Einerseits das geregelte geistliche Leben und andererseits die vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen bei Einsätzen der Brüder und in den Gästehäusern.

Jesus nachfolgen und ihm dienen hätte ich auch gut in meinem Beruf als Pfarrer umsetzen können. Aber das regelmäßige Gebet ist mir schon als Theologiestudent nicht leicht gefallen und auch später als Vikar nicht. Ich habe es mir oft ernsthaft vorgenommen, habe aber keine wirkliche Regelmäßigkeit hinbekommen.

Nicht schwergefallen dagegen ist mir die zweite Seite: Mit Menschen in Kontakt zu sein – ihnen zuzuhören, auf sie einzugehen, im Gespräch zu sein, gemeinsam ein Stück Lebensweg zu gehen. Spannenderweise empfinde ich jetzt nach 25 Jahren Brudersein in Triefenstein das Gebet als deutlich weniger anstrengend als die vielen Menschen.

Ich mag es immer noch, wenn was los ist bei uns im Haus: Wenn Kinder durch den Flur vor dem Gästebüro toben, wenn junge Leute in Grüppchen Richtung Billardraum unterwegs sind, wenn ältere Herrschaften durch den Mittelbau schlendern und Architektur und Einrichtung bewundern.

Und doch habe ich das Gefühl: Ohne unsere regelmäßigen Gebetszeiten würde ich so viele Menschen nicht gut aushalten. Und ich wäre sicher nicht so offen für sie. Das Gebet hat für mich etwas gleichbleibend Ruhiges. Es bietet mir eine Art »Ruhe im Sturm«. In einem Referat von Pfarrer Thomas Schönfuß habe ich einmal gehört, das Stundengebet sei wie eine »heilsame Unterbrechung«. Mit dieser Formulierung hat er mir sozusagen die Theorie zu meiner Praxis geliefert: Das regelmäßige Gebet unterbricht meine Arbeit, mein Planen, meine Aufgaben, meinen Alltag. Auf heilsame Weise erinnert es mich daran, dass es für mich Wichtigeres gibt als die aktuelle Arbeit oder Beschäftigung.

Br. Christian Hauter – © Angela Wittenberg, 2016
Br. Christian Hauter – © Angela Wittenberg, 2016

Mir Worte in den Mund legen lassen

Im Grunde ist es gar nicht so entscheidend, welche äußere Form mein Gebet hat – ob ich alleine bete, ob ich mich an einer Gebetsgemeinschaft beteilige oder ob ich einfach nur still bin. Die äußere Form des Gebets soll mir dabei helfen, mich innerlich ganz auf Gott auszurichten. In unserem Morgen- und Abendgebet singen wir immer auch Verse aus einem Psalm. Auch das empfinde ich als große Hilfe, weil mir Worte in den Mund gelegt werden. Ich muss nicht selbst formulieren, sondern kann mitbeten, was andere Generationen schon vor mir gebetet haben und was noch immer gilt, weil darin grundlegende Menschheitserfahrungen ausgedrückt und vor Gott ausgebreitet werden. So werde ich innerlich ganz auf Gott ausgerichtet. Und genau das ist für mich das Geheimnis des regelmäßigen Gebets: Es fördert meine Ausrichtung auf Gott. Der vorgegebene Rhythmus sorgt dafür, dass meine Suchbewegung zu Gott hin nicht erlahmt. Die Gemeinschaft mit den Brüdern und Mitbetern trägt mein Gebet mit. 

Doch auch beim Stundengebet bleibt meine eigene innere Wachsamkeit gefordert. Ich mache mich dabei immer wieder neu auf den Weg zu Gott, weil ich ihm begegnen und auf ihn hören möchte. Meine Erfahrung ist: Nur wenn ich immer wieder (nicht immer, das schaffe ich gar nicht …) wachsam bin, führt mich das Gleichbleibende in die Tiefe.

»Wachet und betet« (Markus 14,38), dazu fordert Jesus seine Jünger auf. Und in der Komplet, dem Nachtgebet, das wir ab und zu singen, erinnern wir uns an Worte aus dem 1. Petrusbrief (5,8): »Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben. Du aber, Herr, erbarme dich unser.«

Es ist etwa so wie beim Graben eines Brunnens: Zum frischen Wasser kann ich nur gelangen, wenn ich beharrlich dranbleibe, wenn ich durchhalte, wenn ich Tag für Tag ein Stückchen tiefer grabe. Für mich liegt hier ein wesentlicher Unterschied zwischen dem »Kloster« und der »Welt«, der Unterschied zwischen »Glaubensgemeinschaft« und »Eventgesellschaft«. Wir ermutigen uns gegenseitig zum »Dranbleiben« und zum »Tiefergraben« – und wir wechseln nicht ständig den Ort unserer Suche.

Gemeinsame Gebetszeit – © Br. Bodo Flach, 2010
Gemeinsame Gebetszeit – © Br. Bodo Flach, 2010

Getragen durch die unsichtbare Gemeinde

So erlebe ich: Das Stundengebet als feste Einrichtung macht mich stabiler. Es ist unabhängig von meiner Stimmungslage, aber im Gebet wird meine Stimmungslage ernst genommen. Ins Stundengebet darf ich mich so mitnehmen wie ich bin. Es geht auch gar nicht anders, wenn man das jahraus, jahrein jeden Tag morgens und abends macht. Das ist kein »besonderer« Gottesdienst mehr, auf den ich mich innerlich vorbereite. Bei dieser ganz normalen und selbstverständlichen täglichen Übung komme ich heraus aus dem Stress der vielfältigen Anforderungen, aus den Konflikten des Alltags, womöglich auch mal aus meiner aktuellen persönlichen Verunsicherung.

Ohne den »sozialen Druck«, den ich als Bruder ganz freiwillig eingegangen bin, könnte ich diese Regelmäßigkeit, die mir so gut tut, nicht durchhalten. Aber ich will doch zumindest einen Tipp geben, was Sie in Ihren vier Wänden auch alleine, »unregelmäßig«, von unseren Gebetserfahrungen übernehmen könnten: Das Beten mit den Psalmen.

Wenn ich einen der Psalmen bete, werde ich sozusagen durch die unsichtbare Gemeinde getragen. Ich bin mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein, bete nicht nur aus mir heraus, und doch geht es um für mich existentielle Anliegen.

Das sage ich öfter Menschen, die zu Stillen Tagen hierher nach Triefenstein kommen: »Beten Sie doch die Psalmen und schauen Sie: Wo finde ich mich wieder, welches Gebet spricht mir aus der Seele?« Es tut der Seele gut, getragen, verstanden zu werden. Sein zu dürfen vor Gott. So wie es ist. Jeden Tag. Jede Stunde. Und jede Minute.

Aus AUFATMEN, Heft 2/2016, mit freundlicher Genehmigung – www.aufatmen.de

Br. Christian Hauter, 14.06.16

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